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Über das Gefühl von Freiheit

Heute morgen bin ich mit dem unwiderstehlichen Gefühl von Freiheit aufgewacht. Ein so seltenes und rares Gefühl, dass ich es unter Naturschutz stellen möchte. Meine Freiheit zeigt sich als ein wildes Herz, das Gefühl mich selbst heute neu erfinden zu können, Fesseln zu sprengen. Es ist ein Gefühl, das unbeschreiblich ist: süß, pochend, klar und weit.

 

Ein verborgenes Gefühl unter dem Haufen von Verantwortung, der sich sonst in meinem Leben breit macht. Mutterschaft ist ein Gefängnis mit weichen, flauschigen, rosa Wänden. Es ist 15 Jahre her, dass mich Freiheit wie eine zweite Haut ummantelte, so dass mir schon Angst und Bange war, weil ich mich so innig nach Sicherheit und Bürgerlichkeit gesehnt habe, die ich irgendwie nicht herstellen konnte.

 

Daher glaube ich, dass ich Freiheit als Gefühl nur dann so stark empfinden kann, wenn ich sie eben nicht habe, grundsätzlich. Sie ploppt dann hoch, wenn sie die kleinste Gelegenheit hat. Die Gelegenheit heute ist eine kinderfreie Woche im Sommer.

 

Meine Freiberuflichkeit ist ein müder Ersatz für Freiheitsgefühle aller Art. Wir wissen es mittlerweile alle besser, die Freiberuflicher und eigene Chefs: Kaum sind wir die Abhängigkeiten von anderen los, schon schaffen wir uns munter unsere eigenen Gefängnismauern, Zellen, kleine Ertüchtigungen im engen Gefängnishof (Freizeit).

 

Im Angestelltenverhältnis wäre ich sicherlich nicht so diszipliniert, wie in meiner Freiberuflichkeit. Ich arbeite hart und schone mich nicht. Wenn ich mal frei habe überfällt mich mittlerweile die Leisure Sickness. Kannte ich bis vor Kurzem noch gar nicht; krank werden im Urlaub, da man es sich vorher aus ökonomischen Gründen verkniffen hat.

 

Und nun macht sie sich unverhohlen breit, die Freiheit in mir. Das Gefühl, keine Grenzen zu haben. Was fange ich nur damit an?

 

 

 

Ich bin diesen Sommer aber auch ganz ungebührlich frech-frei. All die vorgefassten Termine im astrologischen Schreiben habe ich über den Haufen geworfen: Vollmond und Neumondhoroskope, sogar die monatliche Astro-Vorschau, die ich seit Jahren schreibe. Statt dessen schreibe ich Texte wie diesen, Texte, die in mir anwachsen und dann raus wollen und sich nicht um astrologische Rhythmen scheren. Das nenne ich die Freiheit von Algorithmen, die mich auf meinen Social Media Kanälen abstrafen, aus meiner Regelmäßigkeit auszutreten. Theoretisch. Praktisch sehe ich noch keinen großen Unterschied. Algorithmen sind wie ein Ersatz-Chef, sie zwingen einen vermeintlich Deadlines einzuhalten, zu liefern, zu ackern.

 

 

Mir kam heute morgen, nebst all meiner mich innerlich ausfüllenden Freiheit, auch der Gedanke über die Zwiespältigkeit von Uranus. Er gilt als der Freiheitsplanet per se, aber auch als der Planet der Astrologie. Die Astrologie ist mein frei gewähltes Arbeitsfeld (oh ja, hier habe ich sehr viel Freiheit erfahren dürfen, allein schon, als ich meine gediegene Karriere als Wissenschaftlerin der Astrologie opferte). Aber die Astrologie ist auch voll von Daten, Terminen, Determinismen. Regelmäßig über den Vollmond zu schreiben ist wirklich stressig, du schaust in den nächtlichen Himmel und siehst deine Deadline ablaufen mit zunehmenden Mond. Da bin ich ausgestiegen. Vorgestern argumentierte jemand mit mir, dass er sich so und so fühlte, weil klar: Merkur ist ja gerade rückläufig. Hab ich nicht gemerkt. Natürlich kann ich rückwirkend meine Gefühle und Handlungen häufig anhand von Transiten über meine Geburtsplaneten erklären. Da ist was dran, wirklich. Die Astrologie ist faszinierend, ich weiß nicht, wie sie funktioniert, aber sie erstaunt mich nach all den Jahren noch immer. Meine Freiheit hier ist aber, mich nicht danach zu richten und keine Ahnung zu haben, was momentan am Himmel los ist.

 

Meine kleine Sommerfreiheit. Im Sommer darf ich selbstbezogen und kurzsichtig sein. Ich muss hier dringend meinen Jahresakku aufladen und mein Gehirn zu Tabula Rasa werden lassen. Verantwortungen gegen Wände schmettern (nunja, das endet abrupt in drei Tagen, wenn die Kinder wieder einfliegen). Ich erlaube mir dieses Zeitfenster der Zeitlosigkeit und des Motzens gegen astrologische Verbindlichkeiten. Motzen tut gut, manchmal.

 

Ich weiß, dass diese meine Freiheit endlich ist und nur ein paar Tage überlebensfähig. Dennoch gieße ich sie mit den Wassern der Sehnsucht, der Hoffnung, dass sie bleibt und gedeiht. Wie in dem Sinnspruch, der Martin Luther nachgesagt wird, der immer noch einen Apfelbaum gepflanzt hätte, auch wenn am nächsten Tag die Welt untergeht. Ich will einen ganzen Wald voller Freiheitspflanzen säen! Einen riesigen Wald, der wuchert, in dem ich mich verlaufen kann, so groß ist er. Mit einem Tinyhaus im Herzen, an einer kleinen Lichtung, wo der Vollmond die nächtlichen Wesen bescheint. Das ist meine Sicherheit, mehr brauche ich nicht. Heute, an diesem Mittwoch, an dem Tag, an dem mich morgens die Freiheit wachküsst.

 

Heute bin ich frei. Und heute ist doch alles, was existiert.

 

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